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Oase des zukünftigen Wohnungsbaus könnte das kleinstädtische Altenstadt in der Wetterau genannt werden; eine Oase inmitten der bundesdeutschen Eigenheim- und Reihenhaus-Sahara, geschaffen von dem agilen Unternehmer, Designer und Kunststoff-Autodidakten Wolfgang Feierbach. Und doch ähnelt sein «Kunststoffhaus fg 2000» mehr einer Fata Morgana in der dürftigen Umgebung wahllos zusammengewürfelter Industriehallen.

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Aber die unpassende Umgebung ist schnell vergessen. Sanft schwingende Treppen, an Fiberglas-Stangen frei aufgehängt, führen aus dem konventionellen Unterbau hinauf in das wohl grösste Kunststoffhaus der Welt: Zehn Meter breit und 16 Meter lang, zusammen 160 Quadratmeter -- und alles ohne tragende und deshalb unverrückbare Zwischenwände. Geballte Farben an Möbeln und Wänden empfangen den Fremdling aus dem Jahre 1969; der Deckenteppich würde die übliche weissgekalkte Decken-Einöde als wohltuender Blickfang ablösen, wäre nicht sein horrender Preis von 70880 Mark. Überhaupt, und das klärt sich schon bei den ersten Worten mit Wolfgang Feierbach auf, ist dieses Haus nicht für Bauspar- und Reihenhaus-Ideologen geschaffen: Zwar sind rund 102'000 Mark ab Betondecke für Aussen- und Innenwände nicht allzu viel, gemessen am überdachten Raum, aber Feierbach geht davon aus, dass das Haus „nur zusammen mit entsprechend moderner Innenausstattung beurteilt werden sollte. Deshalb haben wir auch ein im Stil adäquates Möbelprogramm geschaffen”. Das im Musterhaus rund 55'000 Mark kostet - ohne Küche, Bad und Teppiche.

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Kunststoffhaus-Bauwillige müssen daher nicht nur für „vorbildliche moderne Repräsentation” aufgeschlossen sein, sondern auch über vor- Party im Kunststoffhaus: Vorbildliche und moderne Repräsentation bildlich reichhaltiges Kleingeld verfügen. Man mag uns angesichts der zukunftsweisenden Konsequenz und der geschlossenen Modernität von Werkstoff und Design die schnöde und penetrante Preisvergleicherei verübeln, aber wir sind der Meinung, dass es genug für vorbildliche Repräsentation aufgeschlossene Konsumpioniere gibt, die eben nicht ohne weiteres runde 15000 Mark für ein gewiss beeindruckendes elektrohydraulisch bewegbares Rundbett ausgeben können. Hier wird wahrscheinlich die grosse Zukunft des Kunststotthauses liegen, das sehr wohl stets im Zusammenhang mit einer adäquaten Innenausstattung gesehen werden muss: ein erschwingliches Kontrastprogramm für zukunftsorientierte Wohnkonsumenten zu bilden.

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Kunststoffe und Textilien bestimmen die Raumausstattung. Während Bodenteppich und Wandbespannung in dezentem Hellgrau gehalten sind, prunkt der kostspielige Deckenteppich in leuchtenden Farben. Die konsequente Verwendung von Kunststoff zeigt sich auch am Treppengeländer aus Plexiglas. Unpassend wirkt dagegen die Ziegelverkleidung der Essbar.

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Aber zurück in den Prototyp von Altenstadt. Trotz der enormen Fläche des offen gehaltenen Raumes (160 qm) und den durchgehend verglasten Stirnseiten wirkt die Wohnung keineswegs leer oder ungemütlich. Hierzahlen sich die einheitliche Innenausstattung und der textile 'Total-Look' an Wänden, Boden und Decke aus. Den einzigen festen Block im Raum bildet die Küchenrückwand und die davorliegende Koch- und Essbar, über der ein leistungsfähiger Dunstabzug installiert ist. Am Durchgang vom Wohntrakt zum Bade/Schlafsektor lädt die zentrale Schalttafel zum Spielen ein: Unter Zeit- und Datumsanzeige (Solari Udine Dator 5), Hygro-, Baro- und Thermometer ermöglichen metallisch schimmernde Druckknöpfe die zentrale Bedienung aller Vorhänge, Fenster, Entlüfter und Beleuchtungseinheiten.

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Frei in den Raum einbezogen ist neben dem Schlafzimmer auch das 'Badezimmer' mit Wanne, Waschbecken und Bidet - selbstverständlich alles aus Kunststoff. Sehr originell ist die Schrankwand des Schlafzimmers. Raumhohe Schranksegmente aus dem allgegenwärtigen, Fiberglas lassen sich auf Rollen lautlos zwischen Decken- und. Bodenteppich verschieben. Neue und dazu schalldichte Zwischenwände können im Handumdrehen errichtet werden. Probleme mit überflüssigen und zu kleinen Kinderzimmern wird das Kunststoffhaus jedenfalls nicht kennen.

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Was aber, wenn nach einigen Jahren die farblich einheitlich gehaltene Einrichtung den Hausbewohnern nicht mehr gefällt? Kunststoffmöbelproduzent Feierbach: „Dann muss er sich schon ein neues Programm anschaffen“.

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Verschleissfest sind die Wände des Hauses. Keine Witterungsbedingung und keine noch so aggressive lndustrieluft können der Aussenhaut etwas anhaben. Hervorragend ist die Wärmeisolierung; sie entspricht bei 20 Zentimeter Kunststoffwand einer Betonmauer von 1,31 Meter Dicke. Die Schalldämpfung lässt ebenfalls keine Wünsche offen.

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So lassen die überzeugenden Vorteile, die das Haus auf längere Sicht bietet, den Gesamtpreis von rund 300'000 Mark erträglicher erscheinen.

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Bild- & Textquelle:Zeitschrift "hobby", Nr.24 / 26.11.1969

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.Kunststoffhaus «fg2000»